Nachrichten Rhein-Sieg-Kreis

Erhalt eines Baum-Naturdenkmals – „Zugversuch“ an einer 300 Jahre alten Winterlinde liefert wichtige Erkenntnisse für Pflegemaßnahme

Rhein-Sieg-Kreis (dk) – Am 18.8.2014 hat das Amt für Natur- und Landschaftsschutz des Rhein-Sieg-Kreises in Neunkirchen-Seelscheid an einer über 300 Jahre alten und ca. 12 Meter hohen Winterlinde einen sog. „Zugversuch“ durchgeführt. Die Untersuchung - auch statisch-integrierte Baumuntersuchung nach der „Elasto/Inclino-Methode“ genannt - diente u.a. dazu, die aktuelle Stand- und Bruchsicherheit dieses imposanten Baum-Naturdenkmals zu beurteilen und Erkenntnisse über die weitere Entwicklung des Baumes zu erhalten.

Vor Ort waren neben Bernd Zimmermann, Leiter des Amtes für Natur- und Landschaftsschutz des Rhein-Sieg-Kreises, auch Jörg Cremer, beauftragter Baumsachverständiger für den Rhein-Sieg-Kreis, sowie Hermann Reinartz, der beauftragte Fachgutachter für den Rhein-Sieg-Kreis, der die Baumuntersuchung an der Winterlinde – auch Dreifaltigkeitslinde genannt - durchführte und zusammen mit Jörg Cremer erläuterte. Ebenfalls dabei waren Siegfried Cunz, Vorsitzender des Landschafts¬beirates bei der Unteren Landschaftsbehörde des Rhein-Sieg-Kreises und Hans-Gerd Steinheuer von der Fachabteilung Natur- und Landschaftsschutz des Rhein-Sieg-Kreises.

Wie funktionierte nun dieser Zugversuch und wie wurde er an diesem Baum-Naturdenkmal durchgeführt, ohne es zu beschädigen? Schließlich wurde mittels Greifzug und Stahlseil an der Winterlinde mit entsprechender Kraft (die maximale Zugkraft betrug 1,5 Tonnen) gezogen, um im Zuge der Auswertung der Messungen die Auswirkungen eines Sturms oder Orkans beurteilen zu können. Um den alten Baum vor Verletzungen zu schützen, wurde zunächst das Stahlseil mit Polyesterschlaufen am oberen Baumstamm befestigt. Für den Aufbau der Zugkraft diente als mobiles Widerlager ein LKW. An einem Messgerät am Greifzug konnte die Kraft eingestellt und abgelesen werden, die auf den Baum wirkte. Spezielle Messsonden (Inclinometer) am Stammfuss zeichneten geringste Neigungsänderungen während des Zugversuches auf.
Darüber hinaus wurden sog. Elastometer an dem Baum befestigt, die die Dehnung der Stammfasern registrierten, während die Zugkraft auf den Baum einwirkte. Aus den daraus gewonnen Ergebnissen konnte letztendlich rechnerisch ermittelt werden, wie stand- und bruchsicher die Winterlinde ist.



Übrigens: Die Messinstrumente wurden lediglich mit Nadeln in der Borke befestigt. Die Untersuchung erfolgte somit nahezu verletzungsfrei für die Winterlinde.

Diese Untersuchung war notwendig, weil der Stammfuß der Winterlinde u.a. durch Pilzbefall geschädigt ist, was die Tragfähigkeit des unteren Stammes einschränkt. So musste bereits in der Vergangenheit nicht nur die Oberkrone entfernt, sondern auch der gesamte Kronensaum eingekürzt werden, um den Stammfuß zu entlasten. Dies beeinträchtigt jedoch auf Dauer die Regenerationsfähigkeit des Baumes und damit seine Fähigkeit, einer Aushöhlung durch den Pilz durch Holzneubildung entgegen zu wirken.

Wie geht es weiter? Nach Auswertung der Messergebnisse und Vorlage des Gutachtens wird die Untere Landschaftsbehörde des Rhein-Sieg-Kreises zusammen mit dem Baumsachverständigen entscheiden, ob überhaupt weitere Maßnahmen notwendig sind und wenn ja, welche Erhaltungsmaßnahme sich für den Baum am Besten eignet. Das kann entweder eine Abstützung der Krone (mit Holz- oder Metallpfosten) sein, aber auch eine Abspannung mit Stahlseilen, die auftretende Windkräfte anteilig aufnimmt. Ziel für Bernd Zimmermann ist es jedenfalls, dieses Baum-Naturdenkmal noch für eine lange Zeit zu erhalten.

Die Kosten für diesen Zugversuch betragen rund 1.400 Euro und werden vom Rhein-Sieg-Kreis bezahlt.

Zu den Baum-Naturdenkmalen im Kreisgebiet
Der Rhein-Sieg-Kreis betreut z. Z. insgesamt 77 Baum-Naturdenkmale.
Diese werden regelmäßig durch einen vom Rhein-Sieg-Kreis beauftragten  Baumsach-verständigen kontrolliert, der im Rahmen dieser Tätigkeit v. a. Pflege- und Erhaltungsmaßnahmen (so z.B. zur Erhaltung und Förderung der Baumvitalität) und Maßnahmen zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit ermittelt. Diese werden von  der Kreisverwaltung – der die Verkehrsicherungspflicht für die Baum-ND obliegt – veranlasst und auch finanziert.

Wissenswertes zum Baum-Naturdenkmal 44 „Winterlinde“ oder auch „Dreifaltigkeitslinde“ genannt

Die „Winterlinde ND 44“ wurde Anfang des 18. Jahrhunderts gepflanzt und ist mithin rund 300 Jahre alt. Sie war bis zum Jahre 2008 rund16 Meter hoch – heute ca. 12 Meter – und hat einen Kronendurchmesser von etwa 15 Metern bei einem Stammumfang von  3,55 Metern.
Die insbesondere aus nordöstlicher Richtung sichtbare, den örtlichen Dorfrand mit-prägende, Baumkrone wird von einem kurzen Stammfuß getragen – von dem mehrere tief ansetzende, ausladende, tlw. stammstarke Seitentriebe ausgehen, welche die untere  von ursprünglich drei Kronenetagen bilden.
Leider musste 2008 das obere Kronenstockwerk – sowohl aus statischen Gründen wie auch aufgrund der hier allmählich erlöschenden Vitalität – entnommen werden.
Der Name „Dreifaltigkeitslinde“ deutet auf die christlich-kulturgeschichtliche Funktion dieses Baumes hin, der in der Vergangenheit sinnbildlich zur dreifaltigen Gestalt Gottes im Katholischen Glauben über Generationen hinweg zielgerichtet so geschnitten („erzogen“) wurde, um diese Dreistufung der Baumkrone zu erreichen.
Die religiöse Bedeutung der Linde unterstreicht der von niedrigen Schnittgehölzen eingerahmte Bildstock (Station von Prozessionen) an ihrem Standort.