Nachrichten Feuerwehr, Rettungskräfte und Polizei proben den Ernstfall - Rund 500 Einsatzkräfte aus dem Rhein-Sieg-Kreis und auch Bonn nehmen an der Großübung teil
Übungsszenario: Großbrand in einem Chemiewerk. Über 30 Menschen durch Explosion bei den Mannstaedtwerken in Troisdorf verletzt. Rettungskräfte des Kreises im Dauereinsatz

Rhein-Sieg-Kreis (tw) –  Sonnig, leicht bewölkt, 21 Grad Lufttemperatur, leichter Wind aus Richtung Nord/West in Richtung Süd/Ost. Das ist die Wetterlage am 08.08.2009 in Troisdorf über den Mannstaedtwerken als sich dort gegen 09.00 Uhr eine große Explosion im Gebäude L3/L4 ereignet. Rund 30 Mitarbeiter werden durch diese Explosion, teils schwer, verletzt. Es rollt einer der größten Rettungsaktionen in der Geschichte des Rhein-Sieg-Kreises an. Etwa 500 Feuerwehrleute der Wehren aus Troisdorf, Sankt Augustin, Niederkassel, Bornheim, Lohmar und Bonn sowie zahlreiche Rettungskräfte der Hilfsorganisationen, der Polizei und der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft sind angerückt, um Menschenleben zu retten und den Schaden zu bekämpfen. Die Kreisverwaltung in Siegburg hat einen Krisenstab einberufen, der die Schadensbekämpfung koordiniert.

Operativ-taktisch leitet der Stellvertretende Kreisbrandmeister des Rhein-Sieg-Kreises, Dietmar Klein, den Einsatz: „Gott sei Dank ist das nur eine Übung, die wir aber auch in diesem Umfang regelmäßig brauchen, um insbesondere die Zusammenarbeit aller Einheiten im Kreis zu testen“, erläutert der zweithöchste Feuerwehrmann im Kreis eines der Übungsziele. Zusätzlich wird die Kommunikation geprüft und die Organisation vieler einzelner Schritte, die für die Bekämpfung einer solchen Großschadenslage, die man früher als Katastrophenfall bezeichnete, geübt. Geleitet wird die Übung von Kreisbrandmeister Walter Jonas.   




„Der Rhein-Sieg-Kreis ist ein großer und bevölkerungsreicher Kreis, ländlich und städtisch strukturiert. Hier kann es immer wieder zu großen Unglücken kommen, auf die man gut vorbereitet sein will. Dazu tragen diese Übungen bei“, sagt auch die zuständige Dezernentin der Kreisverwaltung, Kreisdirektorin Annerose Heinze, die vor Ort bei der Übung dabei war.

Bei der Übung sind so genannte Einsatzabschnitte gebildet worden, um den Brand zu bekämpfen, die Rettung der Verletzten sicher zustellen und die Löschwasserversorgung zu ermöglichen.

Der Schadenshergang der Übung im Einzelnen: Im Gebäudebereich „L3“ ist die Türscharnierfertigung untergebracht und im Bereich „L4“ die zentrale Umfüllstation für Butangas (benötigt für die Zusatzbefeuerung im Warmwalzwerk in Gebäude L3A). In diesen beiden Gebäudeteilen arbeiten im Zweischichtbetrieb 35 Mitarbeiter.

Szenario:
Ein Tanklastzug mit 25 Tonnen - fünfzehnprozentiger Ammoniaklösung (UN-Nr. 2672) steht an der südöstlichen Gebäudeseite von L3 / L4 um die werkseigene stationäre Ammoniaktankanlage zu befüllen.

Im Gebäude L14, wie auch im gesamten Werk, ist gerade die Frühstückspause beendet worden. Die meisten Mitarbeiter, welche die Pause in der werkseigenen Kantine verbringen, begeben sich zurück zu ihrer Arbeitsstätte. Viele Arbeiter von Gebäude L3 / L4 sind jedoch in den Containerbüros innerhalb der Halle verblieben um die Frühstückspause dort zu verbringen.

Im Gebäude L4 steht, in der südöstlich gelegenen Hallenaußenwand ein nahezu leerer Flüssiggaskesselwagen, welcher zur Befüllung der zentralen Umfüllstation für Butangas in die Halle hineinrangiert wurde. Seit einiger Zeit treten unbemerkt Reste des Flüssiggases ins Halleninnere aus. Bei Beginn von Schweißarbeiten innerhalb der Halle, nach der Frühstückspause, kommt es aufgrund des explosiven Gemisches, was sich aus Butan und Luftsauerstoff gebildet hat, zu einer folgenschweren Explosion. Mitarbeiter werden durch Glassplitter und herumfliegende Trümmerteile getroffen und verletzt. In der Halle L3 / L4 entstehen mehrere Brände an jeweils unterschiedlichen Orten.

Oberlichter und großflächige Teile der Hallenaußenwand von Gebäude L4 (Südost-Wand) brechen heraus und zerstören die Füllschläuche des Tanklastzuges hinter dem Gebäude. Das Sicherheitsventil des unterirdischen Tanks kann noch durch den LKW Fahrer geschlossen werden. Nicht aber die Ventile des Tanklastzuges. Somit kommt es am Tanklastzug zu einem Produktaustritt.

Durch den Produktaustritt kommt es wiederum zu einer Freisetzung der Ammoniaklösung in die Umluft. Die frei werdende NH3-Schadstoffwolke treibt entsprechend der Windrichtung in Richtung Siegburg-Zange

30 Mitarbeiter der Türscharnierfertigung (Halle L 3) sind durch das Explosionsereignis im Halleninneren in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Verletzungsmuster dieser 30 Mitarbeiter variieren von Verbrennungen unterschiedlichen Grades, Rauchgasinhalationen, Amputations-Verletzungen, Knalltrauma bis hin zu traumatisierten Patienten.

Zwei Werksmitarbeiter, die zusammen mit dem Tankzugfahrer mit dem Umfüllvorgang der Ammoniaklösung betraut waren, haben Verätzungen am Körper und der Atemwege erlitten. Weitere fünf Mitarbeiter, die auf dem Rückweg von der Kantine zu ihrem Arbeitsplatz waren, haben das Explosionsereignis unmittelbar verfolgen können und einen Schock erlitten sowie leichte Verätzungen der Atemwege.

Kurz nach der Übung zogen der Kreisbrandmeister mit dem Einsatzleiter Dietmar Klein und dem Ärztlichen Leiter Rettungsdienst Frank H. Riebandt ein erstes vorläufiges Fazit: „In den kommenden Tagen und Wochen werden wir gemeinsam mit allen Beteiligten eine detaillierte Auswertung der Übung vornehmen und schauen, ob wir die Übungsziele erreicht haben, was zu verbessern ist und woraus wir für den Ernstfall lernen können. Vorab kann man aber schon sagen, dass augenscheinlich die Abläufe so funktioniert haben, wie wir uns das vorgestellt haben. Das Zusammenspiel der Kräfte, deren Anzahl im Ernstfall noch um ein Vielfaches höher wäre, war gut. Die Rettung der Verletzten hat gut funktioniert: Sowohl der Transport als auch die Versorgung. Dennoch ist nicht alles reibungslos gelaufen, was wir jetzt im Nachgang aufarbeiten müssen. Dafür sind aber Übungen da“, waren sich die Verantwortlichen einig.

Kreisdirektorin Annerose Heinz zeigte sich beeindruckt von der Leistungsstärke aller Einsatzkräfte: „Das war eine Demonstration von Können und Engagement. Die Kreisbürger können unseren Rettungskräften vertrauen. Ich danke allen Beteiligten, insbesondere den vielen Ehrenamtlichen, für ihren Einsatz bei der Übung und im Alltag. Sie Tragen wesentlich zur Sicherheit im Rhein-Sieg-Kreis bei“.